Im Jahr 1920 entwickelte ein bestimmter bankrotter amerikanischer Geschäftsmann einen bestimmten Plan. Dieser Plan ließ ihn schnell zu einem der reichsten Menschen der damaligen Zeit aufsteigen.

Er kaufte Postwertzeichen in Übersee und verkaufte sie in Amerika zu einem höheren Preis weiter. Viele Anleger ließen sich von seinem Charisma und dem einfachen Versprechen, ,,richtig schnell richtig reich zu werden“, verführen und überzeugen. Und fairerweise muss man sagen, dass er dieses Versprechen auch einlöste – das Geld der ersten Anleger1 wurde innerhalb von drei Monaten verdoppelt, genau wie der Geschäftsmann es versprochen hatte. Man konnte mit einem beliebigen Startkapital scheinbar unbegrenzt viel Geld erwirtschaften. Es erforderte keine harte Arbeit, aber Dringlichkeit – je später man dem Geschäftsmann sein Geld gab, desto größer war die Ungewissheit, ob man jemals auch nur einen Pfennig davon zurückbekommen würde. Denn wie sich später herausstellte, gab es auf der Welt nicht genug Postwertzeichen, um das System zu versorgen. Und die Gewinne der frühen Anleger wurden mit den Investitionen der späteren Anleger bezahlt. Der Dirigent dieses kleinen Betrugsorchesters war Charles Ponzi. Vielleicht hast du schon von ihm gehört.

Hundert Jahre später gibt es eine neue enthusiastische Gruppe von charismatischen und wohlhabenden Geschäftsleuten, die versprechen, dich richtig reich zu machen, richtig schnell. Und das Beste daran ist, so sagen sie, die Rendite2 sei garantiert. Jeder kann kaufen, mit jedem beliebigen Geldbetrag. Es heißt Bitcoin. Vielleicht hast du schon davon gehört.

Bitcoin ist ein digitales Token ohne staatlichen oder physischen Rückhalt. Er existiert durch ein dezentralisiertes globales Netzwerk von Computern, die Bitcoin-Transaktionen3 in Echtzeit verfolgen und durchführen. Es kann immer nur 21 Millionen einzigartige Bitcoin-Einheiten geben, die als eine Art philosophischer Goldstandard4 fungieren. 19 Millionen davon wurden bereits „gemint“5, meist von riesigen Computerkonglomeraten, die Tag und Nacht arbeiten, um neue Bitcoins zu produzieren, und dabei auch enorme Mengen an Wärme und Kohlenstoff erzeugen. Mining-Sites werden oft an Orten wie Sibirien und Nordostchina eingerichtet, wo sie von billigem Strom, billigen Arbeitskräften und verschwenderischen Einrichtungen profitieren.

Die Besonderheiten der Funktionsweise von Bitcoin sind weitgehend trivial. Ich sage das nicht nur einfachheitshalber oder um prätentiös zu klingen – die Feinheiten der „Peer-to-Peer-Technologie“ und der „Blockchain“6 sind nur in Situationen relevant, in denen Bitcoin als Währung verwendet wird; im Austausch gegen Waren oder Dienstleistungen. Diese Transaktionen machen etwa 1,3 % des gesamten Bitcoin-Umlaufs und wirtschaftlichen Aktivität aus. Der Rest geschieht auf der Grundlage von Spekulationen, d.h. Menschen erwerben Bitcoin, weil sie glauben, dass sein Wert steigen könnte. Warum heute ein Auto kaufen, wenn man ein Jahr warten und zehn kaufen kann? Aber warum dann zehn kaufen, wenn man zwei Jahre warten und tausend kaufen kann?

Je mehr Bitcoin zu Spekulationszwecken verwendet wird, desto weniger Anreiz haben die Menschen, ihn als Währung zu verwenden. Die Nutzung als letztere erreichte 2017 ihren Höhepunkt, kurz bevor der Handelswert des Tokens zum ersten Mal in die Stratosphäre schoss.

Es ist vor allem diese Tendenz des Coins, wild zu schwanken, die sie als Währung grundsätzlich unbrauchbar macht. Ich will damit nicht sagen, dass die altmodischen Währungen unfehlbar sind, ich würde sogar behaupten, dass sie kaum stabil sind und dass uns bald ein böses Erwachen bevorsteht, wie leicht sie zerbröckeln. Aber sieh es mal so: Du würdest nicht wollen, dass dein gesamtes Vermögen von Elon Musks Laune abhängt, während er von der Toilette aus twittert. Und jeder, der schon einmal einen Krypto-Marktplatz gesehen hat, kann die Schärfe der Ausschläge in den Graphen bestätigen.

Falls du Freunde oder Verwandte hast oder selbst in Kryptowährungen involviert bist, dann weißt du, dass die meisten Menschen dies in der Hoffnung tun, reich zu werden. Aber da das Gut, das sie kaufen, virtuell ist (sein theoretischer Wert ergibt sich nur aus seiner eigenen Knappheit), kann man dies nicht wirklich investieren nennen. Nein, wer sich in Krypto einkauft, nimmt an einem Glücksspiel teil. Anders als beispielsweise bei einer Immobilie gibt es kein potenzielles Einkommen, sondern das Geld, das man einsetzt, fließt nur in die Tasche des vorherigen Besitzers. Um die Wette zu gewinnen, ist man auf Menschen angewiesen, die noch leichtgläubiger sind als man selbst. Man ist nur ein Trottel, wenn man der Letzte in der Schlange ist. Und wenn man früh genug einsteigt und genügend Leute auf den Markt kommen, kann man einen hübschen Batzen Geld verdienen.

Man hört oft, wie Befürworter der Coin mit Inbrunst eine strahlende, von Bitcoin betriebene Zukunft anpreisen – sie sagen, dass der Bitcoin die Welt verändern könnte, dass er Fiatwährungen7 ersetzen könnte, dass er eine neue, libertäre Utopie einleiten wird, befreit von grausamen Diktaturen und gierigen Banken. Das sind leere Versprechungen. Ihr einziges Ziel ist es, den Menschen einen falschen Optimismus vorzugaukeln, um den Betrug aufrechtzuerhalten. Sie versprechen auch, was jeder Betrüger seit Anbeginn der Zeit versprochen hat: Steige jetzt ein, und du wirst reich; dies ist eine einmalige Gelegenheit.

Was den letzten Punkt angeht, hatten sie in den vergangenen Jahren allerdings recht. Hättest du im Jahr 2016 Google-Aktien im Wert von 100 Lew gekauft, hättest du jetzt etwa 600 Lew verdient. Hättest du im Jahr 2016 Bitcoin im Wert von 100 Lew gekauft, würdest du jetzt etwa 10000 Lew besitzen. Aber das bedeutet nicht, dass Bitcoin funktioniert. Es bedeutet nur, dass viele Menschen auf den Betrug hereingefallen sind und dass einige von ihnen Geld verdient haben. Denn je mehr Leute ihn kaufen, desto mehr schwankt der Preis und desto untauglicher wird er als Währung. Der enorme Erfolg von Bitcoin als Spekulationsgut hat ihn gesellschaftlich unbrauchbar gemacht. Man hätte genauso viel Erfolg gehabt, wenn man Dogecoin gekauft hätte, eine Parodiewährung, die keine der grandiosen Behauptungen von Bitcoin aufstellt und ausdrücklich als Scherz gedacht war. Und noch mehr Geld hätte man vor etwa sechs Monaten mit dem Kauf von prozedural generierten PNGs von Affen verdient.

Währenddessen verbrauchen die Anlagen, die Bitcoin hosten und schürfen, immer mehr Energie und produzieren dabei immer mehr Kohlenstoff. Da eine Transaktion sehr komplex ist, verbraucht sie unglaubliche Mengen an Strom. Tatsächlich benötigt eine einzige Überweisung etwa so viel Elektrizität wie ein durchschnittlicher europäischer Haushalt in einem Monat. Bitcoin verbraucht insgesamt  mehr Energie als ganze Länder, wie Bangladesch, die Philippinen und Kasachstan. Sollte sich Bitcoin jemals auf breiter Front durchsetzen, würde es ein Vielfaches der Energie benötigen, die heute auf der Welt zur Verfügung steht.

Bitcoin ist an sich eine Metapher für den Wandel des Kapitalismus – von einer Kraft, die einst transkontinentale Eisenbahnen und Fabriken in einer kaum postfeudalen Gesellschaft errichten konnte, zu einem System obskurer Spekulation, das von der realen Welt völlig abgekoppelt ist. Denk mal nur einmal darüber nach: Millionen von Computern, die riesige Mengen an Schadstoffen ausstoßen und hochkomplexe Berechnungen anstellen, um einen fiktiven Token zu produzieren, der keinen realen Nutzen hat. Und das alles, während die Infrastruktur zusammenbricht und die Menschen hungern.

Das ist eine furchtbare Art, die Welt zu organisieren. Und doch wird sich Bitcoin wahrscheinlich halten. Er ist viel mehr als ein einfaches Tauschmittel oder Pyramidenschema8 geworden; Bitcoin ist eine Subkultur, eine Identität. Verloren in den bedeutungslosen Abgründen einer Gesellschaft, die sich im rapiden Niedergang befindet, messen manche Bitcoin einen enormen Bedeutungswert bei. Es ist fast religiös. Nietzsche, den ich nur ungern zitiere, der aber, da bin ich mir fast sicher, in Krypto-Kreisen beliebt ist, würde Bitcoin eine „Wahre Welt-Phantasie“ nennen. Und wie so oft, wenn einsame, atomisierte, verletzliche Menschen Gemeinschaft und Sinn in etwas finden, wird sich jemand finden, der sie ausnutzt.

Es ist immer noch möglich mit Bitcoin Geld zu verdienen. Genau aus diesem Grund werden Menschen im Zeitalter von Niedriglöhnen und Massenunterbeschäftigung immer noch darauf anspringen. Aber es wird immer jemanden geben, der die Zeche zahlen muss. Man muss verstehen, dass Bitcoin ein Glücksspiel ist. Glücksspiele können mit niedrigen Einsätzen, mit Freunden und viel Alkohol schon Spaß machen. Aber die Leute, die versuchen dir zu verkaufen, sind nicht deine Freunde. Bitcoin lebt von den gleichen Impulsen, die Menschen zum Multi-Level-Marketing9 verleiten. Und so wie Ponzi nie genug Postwertzeichen hatte, um sein Unternehmen zu erhalten, gibt es nicht genug Energie auf der Erde, um eine nachhaltige Kryptowelt zu schaffen.

Yasen Yanev, 12b


Fußnoten:

  1. Aus der Wirtschaft: Investor
  2. Gewinn
  3. Hier: Austausch zwischen Käufer und Verkäufer
  4. Ein Geldsystem, in dem der Wert von Währungen auf einer festen Menge Gold basiert
  5. Aus dem Englischen „Mining“; darunter ist die Erzeugung von Bitcoin zu verstehen
  6. Hier erklärt
  7. Fiatgeld sind Währungen, deren Wert nicht an den Wert von Gold gebunden ist. Die meisten traditionellen westlichen Währungen sind Fiatwährungen. 
  8. Pyramidenschema = Schneeballsystem = Ponzi-Schema; eine betrügerische Art, Geld zu verdienen, die in den meisten Ländern verboten ist. Siehe Einleitung des Artikels
  9. Eine besondere Form des Schneeballsystems

Quellen und weiterführende Literatur:

https://economictimes.indiatimes.com/small-biz/startups/features/bitcoins-rally-masks-uncomfortable-fact-almost-nobody-uses-it/articleshow/69592586.cms?from=mdr

https://www.bloomberg.com/news/articles/2017-07-12/bitcoin-acceptance-among-retailers-is-low-and-getting-lower

https://cointelegraph.com/news/report-use-of-bitcoin-in-commerce-hit-low-in-may-after-peaking-at-411-mln-last-year

Bitcoin Energy Consumption Index

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