Stellen sie sich mal vor, sie sitzen zuhause, lernen oder lesen, spielen ein Videospiel, kochen oder spielen mit ihrem Haustier und plötzlich fangen sie an dutzende von Nachrichten zu bekommen. 

‘’Hast du die Nachrichten gelesen?’’

‘’Schalt mal dein Fernseher an!’’ 

‘’Kannst du es glauben?’’ 

Es dauert nicht lange bis sie kapieren was sie machen müssen. Also gehen sie schnell in die Nachrichten App auf ihr Handy. Während es ladet, müssen sie sich wundern was so interessantes passieren könnte, dass die halbe Welt sie anschreibt. Vielleicht ist ein Bekannter gestorben? Oder es ist in der Stadt eine Bombe hochgegangen, oder jemand hat ein Schießgewehr zur Schule gebracht, oder es ist ein Flugzeug abgestürzt oder das Parlament ist verbrannt oder die Metro ist unterwasser. Vielleicht ist es eine neue Epidemie oder es sind endlich die Ausserirdischen gekommen um unser Planeten zu erobern. 

Die App ladet endlich; es steht mit großen, schwarzen Buchstaben auf einem roten Hintergrund: 

‘’AKTUELLE NACHRICHTEN: Forscher haben heute morgen bestätigt, dass unsere ganze Welt Produkt der Fantasie einer Schülerin ist!’’

Stellen sie sich das mal vor. Wir befinden sich alle im Gehirn eines Fremdens.

Vielleicht hört sich das wie ein Albtraum an. Was ist den der Sinn von allem, wenn man gar nicht existiert? Hat man überhaupt einen freien Willen, wenn alles von der Fantasie der Schöpferin abhängt? Heißt es jetzt, dass es keine Konsequenzen mehr gibt? Bedeutet das, dass wir absichtlich das Unglück verfolgen werden, weil nichts echt ist?

Alles sehr gute Fragen, jedoch ist die wichtigste nur eine. Nämlich, macht es einen Unterschied? Macht es einen physischen Unterschied ob wir echt sind oder nicht wenn alles, was sich verändert nur ein kleines Stück Information ist? 

Schneidet man sich, blutet es; geht man ohne Jacke im Schnee, friert man; hört man etwas witziges, wird gelacht. Es macht keinen Unterschied ob das passiert weil wir Schöpfungen Gottes, Unabhängige Lebewesen oder Produkte einer Fantasie sind. 

Es geht uns nichts an ob wir nur ein Teil einer Fantasie sind, oder Teil der Matrix oder ein Gehirn der zu einem Computer verbunden ist. Es ändert nichts an unserem Alltag. Denn, ganz stoisch ausgedrückt, was wir nichts verändern oder kontrollieren können, müssen wir einfach annehmen. 

Der Mensch soll ein denkendes, vernünftiges Wesen sein. Das Denken und die Anschaffung von neuer Information soll uns glücklich machen. Es ist alles, im wesentlichen, nur ein Austausch an Information und dessen Auswertung. Homo sapiens sapiens, halt. Jedoch würde uns eine solche Information zweifellos im tiefsten stören und ins Nihilismus stürzen. Wahrscheinlich würden viele es sich wünschen, gar nicht an dieser Information der Fantasiewelt zu kommen. Sie sehnen sich nach der Unwissenheit von davor. Damals waren sie  glücklicher, als sie noch an der Realität und Wichtigkeit ihrer Existenz glaubten. Viele würden deshalb wahrscheinlich so wenig wie möglich daran denken, dass wir nur ein Stückchen Fantasie sind, weil ihnen den Gedanken, dass wir eigentlich unwichtig sind und alles was wir tun keine Konsequenzen, hat ein bisschen die Stimmung verdirbt. 

Dasselbe tun wir mit dem Tod. Und mit anderen unangenehmen Gedanken und Gefühle. Wie oft denken sie mit vergnügen über ihre eigene Nichtexistenz? Es ist genau dieselbe Praxis, wie das Wegschauen beim Impfen oder Blut Entziehen. Auch sehnen wir uns nach der Unwissenheit und das Glück davon, welches wir bevor wir eine schlechte Note bekommen haben hatten. Dasselbe gilt bei anderen schlechten Nachrichten; Tod, Klimawandel; Terrorismus. Besonders die Sachen, die wir nicht verändern können stören uns am meisten. Entweder weil sie in der Vergangenheit bleiben oder weil man eine Umweltkatastrophe schwer selbst bewältigen kann. Deshalb ist es sehr möglich, dass eine Denkweise von ‘’Unwissenheit heißt Glück’’ annimmt. So ist das Leben viel leichter und glücklicher. Denn wieso sollte man mit Schwierigkeiten beladen werden, die man gar nicht lösen kann? Viel besser ist es, wenn man gar nicht darüber weiss. 

So bequem und glücklich es auch erscheinen mag, ist so ein Leben kein wirklich glückliches. Wenn man das Glück als von Aristoteles definierte Eudaimonia sieht, dann wird klar, dass auch eine unbekannte Tragödie, trotzdem zum allgemeinen Glück bzw. Unglück der Person zählt. Das man sein ganzen Glück auf Basis der Unwissenheit oder das Verstecken vor Unglück aufbaut ist unweis. Was passiert, wenn man ohne Einwilligung etwas schlechtes mitgeteilt bekommt? Würde dann nicht das ganze Glück zerkrümeln? 

Das echte Glück erreicht man, indem man sich nicht vom Unglück fürchtet. Es werden die schlechten Seiten des Lebens erkannt und angenommen, anstatt optimistisch oder pessimistisch versucht zu manipulieren. Die vollständige Akzeptanz des gesamten Leben ist das einzige was zum echten, dauerhaften Glück führen kann. Auf Dauer und indem man es übt wird es immer leichter das Unglück anzunehmen und nicht mehr als Unglück zu spüren, sondern als ein blosser Fakt des Lebens. 

Und selbst wenn wir in der Fantasie einer Schülerin leben, müssen wir dies auch akzeptieren und dankbar sein, dass sie keine Zeit hatte sich mehr Tiefseewesen auszudenken. 

Hana Kanter, 12b

Fotolink: https://www.google.com/search?q=ignorance+is+bliss&sxsrf=AOaemvIKyK1VhBZ19Id04_TR7X91A_J4Jw:1638275706944&source=lnms&tbm=isch&sa=X&ved=2ahUKEwjsibnMjMD0AhVLiv0HHcykBYYQ_AUoAXoECAEQAw&biw=1536&bih=722&dpr=1.25#imgrc=ESS3jH5_yWUQsM