„Das ist eine dumme Idee“, meint Thomas zu Eric. „Ach stell dich nicht so an, wir müssen das tun!“ spottet er und auch die restlichen Vier stimmen ihm zu. Ich schaue nochmals zögernd in die dunkle Nacht hinein und öffne die Tür zu dem alten Schloss. Wir treten alle ein, die Luft knistert vor Spannung.
Wir bewegen uns langsam, jeder hat Angst einen falschen Schritt zu machen und von der endlosen Dunkelheit eingesogen zu werden. Auf einmal eine Lichtquelle, Veronica neben mir schreit auf, Eric fängt an zu lachen: „Jo, habt ihr schonmal was von einer Taschenlampe gehört?“. Veronica schlägt Eric spielerisch auf den Arm und schaltet auch ihre Lampe an. Wir sehen uns um, überall rieselt Schutt von den Wänden, Staubpartikel tanzen im Lichtkegel unserer Lampen. „Es ist alles so gruuuuuuselig hier“, meint Eric, mit der Taschenlampe unter seinem Kinn. „Lass das, Eric, du bist doch eh der Erste, der hier rausrennen wird“. Das war Susi. Ich schaue alle vorwurfsvoll an und zeige ihnen, dass wir weiterlaufen sollten. Während wir in der Eingangshalle des Schlosses sind, sehe ich mich um. Dumpfe Schritte. Eine alte, große Treppe steht mitten im Raum, der Weg nach oben, genau da wo wir hinwollen. „Los, hier geht es hoch“, ich zeige mit dem Kopf auf die Treppe und bewege mich gezielt darauf zu. Alle schleichen hinter mir her. Wir steigen die Treppe auf, jede Treppenstufe knarzt ganz entsetzlich unter unseren Füßen. Bum! Veronica und Thomas schreien auf und springen zur Seite, ein Teil der Balustrade ist abgefallen. Auf der anderen Seite der Treppe, dort wo niemand steht. Dumpfe Schritte. Wir schauen uns an: „Ach, das ist ein altes Gebäude, sowas passiert manchmal“, erklärt Susi, winkt ab und geht weiter die Treppe hoch. „Wir müssen nach links“, meldet sich Matthias. Ich nicke ihm zu und wir biegen alle nach links ab. Wir laufen in einen kleinen Gang voller Türen, mucksmäuschenstill. Wir laufen auf Zehenspitzen, angespannt, wie eine Bogensehne. Ich versuche die Brocken auf dem Boden zu vermeiden und versuche die Kakerlaken, die unsere Füße umspielen zu ignorieren. Dumpfe Schritte kommen näher. Wir müssen dahin, egal ob wir es wollen oder nicht, wir müssen Es holen. Eine Tür seufzt vor mir auf, doch ich laufe an erster Stelle. „Alex, bitte sag mir, dass du gerade eine Tür aufgemacht hast“, zögert Veronica. Wir hören dumpfe Schritte, unter denen der abgefallene Schutt knirscht. „Wir gehen jetzt ganz langsam zurück“, flüstert Susi. Doch ich schüttle den Kopf: „Das ist unsinnig, du weißt, dass wir nicht zurück gehen können“. Sobald ich das gesagt habe, verschnellern sich die dumpfen Schritte hinter uns. Meine Freunde schauen sich besorgt an, doch sie wissen genau, wie Recht ich habe. Zögernd fangen wir wieder an zu laufen, wir biegen zwei Mal links und einmal rechts ab, die dumpfen Schritte folgen uns konstant, bis wir im richtigen Flügel sind. Matthias weiß ganz genau, wie wir laufen müssen. „Wir müssen uns aufteilen.“, sagt Susi nüchtern. Ich bestätige ihre Aussage. Jeder muss diese Entscheidung für sich selbst treffen, nur wenn wir uns aufteilen kann unsere Gruppe ihr Ziel erreichen. Außerdem kommen die dumpfen Schritte immer näher, wenn wir jetzt nichts machen, dann ist die Mission gescheitert. Wir suchen uns alle eine Tür, stellen uns davor und treten gleichzeitig ein. Unsere Lampen fangen an zu flackern, die Tür schlägt hinter uns allen zu und ich stehe da, alleine im Dunkeln. Ich bewege mich nicht, doch trotzdem höre ich das Knarzen eines Bettes, als ob jemand gerade aufgestanden ist. Ich kann nicht atmen, ich kann mich nicht bewegen, jemand ist hier. Etwas ist hier. Ich höre ein Klappern, ein Atemzug, dumpfe langsame Schritte. Es kostet mich all meine Überwindung, doch trotzdem sage ich in die Leere des Raumes: „Ich bin hier, ich suche Es.“. „Ich weiß, Kind“, antwortet die Stimme aus dem Off. Ein kalter Schauer läuft meinen Rücken hinunter. Auf einmal durchzuckt ein Todesschrei die Luft. Veronica. „Deine Freundin hat es nicht geschafft, wie Schade“, die Stimme hört sich fast so an, als würde sie lächeln. Ich kann das, gehe einfach den Schritt, du bist bereit für diese Mission. „Du willst Es haben, dann hol Es dir“, lacht die Stimme und ich sehe das Lächeln der Kreatur im pechschwarzen Zimmer aufblitzen. Ich tue das, wofür ich jahrelang trainiert wurde. Ich mache einen entschlossenen Schritt und der Boden wird unter meinen Füßen weggerissen. Ich falle. Ich pralle hart auf den Boden auf. Mein Rücken tut weh und ich stöhne vor Schmerz auf. Ich fluche und stehe auf, meine Taschenlampe ist weg, mein Rucksack verschwunden. Ich höre vier andere Leute um mich herum, die die gleichen elenden Geräusche von sich geben, wie ich gerade. „Wer hat sich eigentlich das mit dem Fallen ausgedacht?“, scherzt Erik, doch ich weiß, wie schmerzverzerrt sein Gesicht aussieht. Alle stehen um mich herum auf und schauen mich an. „Wir müssen weiter“, meint Matthias. Wir laufen den langen Gang entlang, in dem wir lagen. Dumpfe Schritte laufen wieder hinter uns, sie folgen uns, wir können ihnen nicht entkommen. Niemand erwähnt, dass wir nur noch zu fünft sind. Wir wussten alle, worauf wir uns eingelassen haben, wir wissen, dass unser Leben auf dem Spiel steht. Am Ende des Ganges ist eine Lichtquelle, wir laufen auf sie zu. Sie gehört zu zwei Fackeln, die an den Seiten einer großen Mahagonitür hängen. Sie ist mindestens fünf Meter hoch und in die Tür wurden verschiedene Zeichen eingeritzt. Matthias und Eric treten vor die Tür und fangen an gegen sie zu drücken, sie öffnet sich knirschend. „Seid ihr bereit?“ fragt Susi. Wir schauen uns an, nicken und treten über die Türschwelle. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
To be continued…
Paula Madest, 11b
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