Es ist fünf vor sieben. Nach einem anstrengenden Tag gehe ich in mein dunkles Zimmer, setze mich vor dem Laptop und sehe mir einige Videos an. Ich bin entspannt, doch plötzlich bemerke ich in meinem peripheren Blickfeld eine Eule, die wie eine Gargoylenstatue auf meinem Kleiderschrank steht und mich mit großen Augen beobachtet. Ich bin wie gefesselt vor Angst. „damvassi, WIR VERMISSEN DICH! HAST DU HEUTE ETWA VERGESSEN, SPANISCH ZU LERNEN?“, sagt Duo mit einer tiefen, todessüchtigen Stimme. Ich muss mich schnell in Duolingo einwählen, um nicht von einer grünen Eule bestraft zu werden.

Duolingo ist eine Sprachlernplattform (mit dem Logo einer grünen Eule), die dir auf einer spielerischen Art und Weise fremde Sprachen beibringt, oder es zumindest versucht. Bringt es aber Sprachen wirklich bei? Was ist das Gute und was das Schlechte an der Plattform? Wie sollte man mit ihr umgehen?

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Sie ist auf Desktop und Handy verfügbar und funktioniert hauptsächlich nach dem Baum-Ast-Sprachlern- und dem Vokabularprinzip. Man kann dabei eine Sprache auf verschiedenen Sprachen lernen. Zum Beispiel kann man Spanisch auf Deutsch lernen (Es sind alle Übersetzungen der Sprache, die man lernt, und alle Aufgaben auf Deutsch gestellt). Jede kleine und jede große Lerneinheit, die dir neues Vokabular beibringt, folgt aufeinander, wie die Äste eines Baumes. Um zur nächsten Lerneinheit zu gelangen, muss man die vorherigen auf einem bestimmten Niveau beherrschen. Neben diesem Prinzip gibt es auch eine Diskussionsseite, Übungssektion und ein digitales Wörterbuch. Dazu kommen noch ein Laden (natürlich kann man auch echtes statt Spielgeld einsetzen), eine Stufenliga und die Möglichkeit Duo-Freunde zu finden. Ein Streak zeigt dir, wie viele Tage hintereinander du gelernt hast, auf der (freien) mobilen Version bestrafen dich Herzenabzüge für Fehler, die du beim Lernen gemacht hast, und man setzt sich ein Tagesziel (Minuten) fürs Lernen.

Vor fünf-sechs Jahren lernte ich Duolingo erstmals kennen. Aber erst seit genau 40 Tagen habe ich keinen einzigen Tag verpasst, Spanisch zu „lernen“. Ich bin heute als vierter der Saphirliga platziert und habe insgesamt 3875 XP. Bevor mein Streak zu zählen anfing, habe ich mir gesagt, ich will Spanisch wirklich lernen und nicht nur spielen, also nehme ich mir jedes Mal einen Stift und ein Blatt Papier vor und schreibe die neuen Wörter und Sätze und alles, was mir komisch oder schwer erscheint, auf. Ich habe mir sogar in den ersten ~17 Tagen mein erstes spanisches Vokabular erstellt. Aber um ehrlich zu sein… seit einiger Zeit habe ich nichts mehr aufgeschrieben, weil ich keine Fortschritte beim Baum-Ast-Prinzip mache, aber nur „übe“, und ich bin sehr weit davon das Spanisch wieder wirklich anzupacken und es wirklich durchzuarbeiten. Und das hat mehrere Gründe, unter anderem Fehler der Plattform.

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Jedoch, bevor man die grüne Eule vom Kleiderschrank vertreibt, muss man sie auch ein bisschen loben. Das Gute an Duolingo ist, dass es dich zwingt jeden Tag die jeweilige Sprache zu lernen und jeder weiß, dass Wiederholung magisch wirken kann. Die spielerische Art und Weise hilft einem auch dabei das Sprachelernen als leicht zu empfinden und sich vor dem schweren Stoff nicht verängstigen zu lassen. Auch sind die einzelnen Lerneinheiten klein und verdaulich, sodass man schnell und leicht vorankommt.

ABER, es ist Zeit der grünen Eule das zu sagen, was ihr den gruselig-fröhlichen Blick vom Gesicht nehmen wird.
Wenn dein Bruder bei Duolingo Spanisch auf Englisch lernt, erfährst du, dass es eigentlich benachteiligend ist Spanisch oder jede andere Sprache mit der Eule auf Deutsch zu lernen. Mit der englischen Version hat man viele nützliche Möglichkeiten, zum Beispiel die Tips, die dir mit jeder Lerneinheit gegeben werden, wo Schaubilder und Tabellen das Lernen erleichtern, oder die Stories, die dir ermöglichen mit Narrativen, also im Kontext und im Hören und gleichzeitigen Verstehen, zu lernen, wie es im normalen Unterricht üblich ist. Zusätzlich sind die Lerneinheiten im englischen Duolingo viel verdaulicher und sind zahlreicher, um den Prozess des Lernens fließender zu machen, und logischer angeordnet. Mit der deutschen Version lernt man die Zahlen erst in der 26. kleinen Lerneinheit.
Dann sind die Sprechmöglichkeiten sehr limitiert und durch Sprechen ist wie man eine Sprache am besten lernt. Man kann voller Unsinn im Mikrofon sprechen, sodass deine Antwort als richtig anerkannt wird, oder man kann im Mikrofon mit richtiger Intonation, Artikulation und was auch immer der Wörter schreien, um dann die Punkte für die richtige Antwort nicht zu bekommen. Außerdem ist die Anzahl an Sprechaufgaben für ganze (auch schwierige) Sätze sehr begrenzt. Dasselbe gilt auch für Audiomöglichkeiten, obwohl es ein Duolingo-Podcast auf Spanisch und Französisch gibt. Jedoch ist dieser nicht auf der jeweiligen Plattform zugänglich und ist nur eine einzige Form des Sprachelernens durch den Sinn des Hörens.
Als drittens ist eine der Stärken Duolingos auch dessen Schwäche – das Spiel und der Spaß. Mein zweiter Bruder lernt Japanisch auf der Plattform. Für eine Zeit wurde er bestraft, indem man sein Handy weggenommen hatte. Sobald dann seine erste/zweite/dritte/vierte Unterrichtsstunde per Zoom vorbei war, konnte ich die von meinem Zimmer Tinks (Tink bezeichnet einen Laut)einer richtigen Antwort hören. Weil er Brawl-Stars nichtspielen konnte, spielte er Duolingo, aber das, was er dabei gelernt hat, ist fraglich. Ich kann die meisten Aufgaben erledigen, ohne wirklich aufmerksam zu sein. Man kann vergessen die Sprache zu lernen, weil man zu beschäftigt ist zu spielen.
Schließlich, die größte Kritik: keine Grammatik. Wie schon oben genannt, Duolingo ist nach dem Vokabularprinzip aufgebaut, also wird die Grammatik vernachlässigt und auch wenn diese in einer Sprache oft das Schwierigste ist, ist sie auch eins der Wichtigsten. Die Grammatik wird explizit nicht geklärt, sondern nur in gegebenen Sätzen eingebaut. Somit können Komplikationen entstehen, weil man zum Beispiel nicht weiß, ob nur Adjektive oder auch Verben mit dem Genus des jeweiligen Substantives vereinbar sind.

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Trotz allem kann man mit Duolingo Sprachen lernen, aber nur wenn man es richtig macht. Benutze erstmals die Desktop-Version, wenn du Englisch sprichst, lerne die jeweilige Sprache auf Englisch. Als nächstes sprich alles, was du liest und hörst und schreibst (auf der Sprache, die du lernst) laut nach, habe einen Stift und Blatt Papier vor dir und schreibe die neuen Wörter und Sätze und alles, was dir komisch oder schwer erscheint, auf und strukturiere es, sodass es übersichtlich ist. Erstelle häufig Wortlisten mit den neugelernten Wörtern und übe sie regelmäßig. Höre Lernpodcasts zur Sprache, die du lernst, auch wenn sie nicht Duolingos Podcasts sind und sehr wichtig: recherchiere und suche nach den Grammatikregeln und erstelle dir dazu Tabellen und Schaubilder und lerne jeden Tag.

Wie auch immer, lass dich von der grünen Eule nicht einschüchtern, falls du bei Duolingo lernen willst, und lerne richtig. Die Plattform muss vieles verbessern, aber sie hat sich auch für die letzten fünf-sechs Jahre sehr verbessert, also hoffen wir, dass sie sich in Zukunft noch weiter verbessern wird. Spielt weiter, aber wichtiger: lernt weiter. Ich sollte es auch tun, weil die Eule immer noch auf dem Schrank hockt und wartet.

Damian Vassilev / Дамян Василев, 11b/б


Статията бе написана на немски и превеждането ѝ на български език е в процес.